Menschenrechte in der Politik
Die einzelnen, im internationalen wie nationalen Recht kodifizierten
Menschenrechte müssen gegenüber der Politik stets in Erinnerung
gerufen werden, um in der Konkurrenz mit anderen Ansprüchen
Berücksichtigung zu finden. Justitia et Pax pflegt deshalb enge Beziehungen zu
den politisch Verantwortlichen in Parlament und Regierung, sowohl bilateral als
auch vernetzt im FORUM MENSCHENRECHTE, einem Zusammenschluss von derzeit
51 menschenrechtspolitisch engagierten Nichtregierungsorganisationen.
Justitia et Pax übernimmt außerdem gegenüber der innerkirchlichen
Öffentlichkeit und den in der Kommission vertretenen Organisationen eine
Vermittlungsaufgabe - die Sensibilität für menschenrechtliche Fragen und
methodische Arbeit sollen gefördert werden.
Gegenwärtig befasst sich Justitia et Pax in einer Arbeitsgruppe mit dem
Verhältnis von „Menschenrechten und kulturellen Traditionen: Testfall Recht auf
Gesundheit“. Dabei sind zwei Projektphasen avisiert, die unterschiedliche
Dimensionen des Themas ausleuchten und die internationale Vernetzung der
Deutschen Kommission fruchtbar machen sollen. Die erste Projektphase schließt
an das Arbeitsvorhaben der vergangenen Arbeitsperiode zu Fragen von
Menschenwürde und Menschenrechten an, dass sich mit der Idee der Menschenwürde
als der normativen Grundlage der Menschenrechte befasst hat. Diese Frage steht
weiter im Hintergrund, wenn sie nun auf konkrete Fragen zugespitzt wird, die
sich aus der immer notwendigen Einbettung und Realisierung der Menschenrechte
in bestimmten kulturellen settings
ergeben. Es ist zu prüfen, wie Menschenrechte auch als lebendiger Ausdruck
eigener kultureller Traditionen und Überlieferungen erkannt und anerkannt
werden – ohne aber exklusiv und vollständig aus ihnen ableitbar zu sein. Mit
diesem Ziel arbeiten auch unsere Partner an einer stärkeren Rückbindung von
Menschenrechten an traditionelle Werte und Überzeugungen. Das kann in
besonderer Weise hilfreich sein in traditional geprägten Gemeinschaften, es
gilt aber gleichwohl generell, insofern Menschenrechte immer in jeweils
bestimmten kulturellen Räumen aktualisiert werden müssen. In zwei
aufeinanderfolgenden internationalen Kongressen waren zudem in Lusaka (2013)
und Den Haag (2014) jeweils die Potentiale der Kirchen und kirchlicher Akteure
hervorgehoben worden, zum besseren und umfassenderen Schutz von
Menschenrechtsverteidigern beizutragen.
Justitia et Pax greift die Diskussion um Menschenrechte und kulturelle
Traditionen als inhaltlichen Schwerpunkt der Arbeitsperiode auf und bearbeitet
sie exemplarisch im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte, verstärkt in der zweiten Arbeitsphase am Testfall Recht auf Gesundheit.
Die Sorge für Kranke, Pflegebedürftige und Behinderte, für Gesundheit und
Heilung, präventiv und kurativ, ist seit jeher eine Kernaufgabe der Kirche.
Dies drückt sich aus in zahlreichen kirchlichen Krankenhäusern,
Gesundheitseinrichtungen und medizinischen Dienstleistungen, früher meist in
der Trägerschaft von Ordensgemeinschaften, durch die Geschichte hindurch im
Norden wie im Süden. Weniger bewusst ist hingegen, dass die Kirche damit auch
zur Umsetzung einer wichtigen menschenrechtlichen Forderung beiträgt, zur
Implementierung des Rechts auf Gesundheit, wie es in Art. 12 des UN Sozialpakts
beschrieben ist. Aus der engen Rückbindung der Menschenrechte an die
Menschenwürde wird deutlich, warum der Schutz der besonders von Verletzungen
betroffenen oder gefährdeten Menschen in der Zielperspektive der Menschenrechte
stehen muss. Auch in dieser vorrangigen Option für die Armen, die überall in
der Welt stärker als andere von Krankheitsrisiken bedroht sind, verbinden sich
die Forderungen der Menschenrechte mit denen der Katholischen Soziallehre.
Ein vertieftes Verständnis der Bedeutung von traditionellen ethischen
Überzeugungen und ihrem Verhältnis zu den Menschenrechten kann dazu beitragen,
mit größerer Sensibilität die vorfindlichen gesellschaftlichen und sozialen
Gegebenheiten in Programme von Menschenrechtsförderung zu integrieren – und
dabei nicht in die Fallstricke zu geraten, den universellen Anspruch der
Menschenrechte zu unterminieren. Das gilt nicht zuletzt auch für Projekte
kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit, die in der Regel konsequent den
Menschenrechtsansatz integrieren und nutzen. Mit Blick auf die konkrete Arbeit
vor Ort kann es sich als hilfreich erweisen, Erfahrungen und Beispiele guter
Praxis – aber auch weniger erfolgreiche Projekte – zu untersuchen. Und schließlich
wäre zu prüfen, auf welche Weise durch einen Rekurs auf Traditionen selbst
menschenrechtliche Schutzfunktionen wahrgenommen werden können – oder wie traditionelle Werte gar auf
den Schutz von Menschenrechten zurückwirken, in dem sie „blinde Flecken“ des
etablierten Menschenrechtsschutzes beleuchten.
Nicht zuletzt in der Perspektive der Post-2015 Agenda können hilfreiche
Erkenntnisse von diesem Arbeitsprozess ausgehen: Justitia et Pax hatte früh die
Menschenrechte als normative Grundlage für die zukünftige internationale
Zusammenarbeit nach 2015 vorgeschlagen - und ein partizipatives Vorgehen zur
Stärkung von Beteiligung gerade von bisher marginalisierten Gruppen gefordert.
Das Ziel eines weiteren Arbeitsschwerpunkts zu Religionen und
Religionsfreiheit besteht darin, die systematische Bedeutung der
Religionsfreiheit als eines zentralen Menschenrechts zu reflektieren, um von
dorther fundiert Stellung zu aktuellen politischen Fragen zu beziehen und auf Risiken
für die Religionsfreiheit hinweisen zu können. Auch wenn von eigentlichen
„Verletzungen“ dieses Menschenrechts in Deutschland kaum die Rede sein kann,
lassen sich doch Entwicklungen beobachten, die unter Gesichtspunkten der
Religionsfreiheit nicht unproblematisch sind.
Die Zusammensetzung der Arbeits- und
Projektgruppen finden Sie unter
"Über uns" - "Projekt- und Arbeitsgruppen"