Kongress der
Deutschen Kommission Justitia et Pax
vom 9.-10. Dezember
2016, in Berlin
Menschenrechte
stehen nicht in einem kulturellen Vakuum. Die Idee gleichberechtigter Freiheit
für alle Menschen gerät immer wieder in Spannung zu bestimmten kulturellen Traditionen.
Daraus können Brüche und Konflikte entstehen. Gleichzeitig sind kulturelle
Traditionen aber auch Quellen für Engagement, Solidarität und für eine aktive Aneignung
der Menschenrechte. Die Produktivität derartiger Spannungen für den Schutz der
Menschenrechte exemplarisch zu verdeutlichen ist das Ziel des diesjährigen
Kongresses von Justitia et Pax.
So wird in
der Flüchtlingsdebatte christlicher Glaube beispielsweise doppelt angesprochen:
Einerseits wird er identitätspolitisch vereinnahmt und in der Rede vom
„Abendland“ oft gegen eine vermeintliche Islamisierung Europas ausgespielt. Andererseits
stehen Christen für praktische Solidarität, die kulturelle und politische
Grenzen überwinden und Spaltungen verhindern kann – eine Traditionslinie von
Christen und der Kirchen, die gegenwärtig wieder stark ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit gerückt ist. In dieser Gleichzeitigkeit beider Strömungen zeigen
sich alte und neue Spaltungen in unserer Gesellschaft und in Europa.
Die
Verwirklichung des Menschenrechts auf Gesundheit bildet eine weitere exemplarische
Vertiefung des Themas. Die Kirche setzt sich in vielfältiger Weise für die
Gewährleistung des Rechts auf Gesundheit für alle Menschen, für Arme und
Papierlose ein, und verleiht damit auch ihrem Selbstverständnis sichtbaren
Ausdruck. Der für viele – besonders in der derzeitigen Situation – provokative
Charakter dieses Rechts besteht jedoch darin, dass er eben rechtliche Ansprüche
für alle Menschen formuliert. Gleichzeitig wirft dieses Recht aber auch
kritische Fragen an das Selbstverständnis der Kirche auf, vor allem im Kontext
von Geschlechtergerechtigkeit und reproduktiver Gesundheit.