Vor dem Hintergrund,
• dass während des Zweiten Weltkrieges etwa
10 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt
wurden, was die größte zwangsweise Beschäftigung ausländischer
Arbeitskräfte seit dem Ende der Sklaverei im 19. Jahrhundert bedeutet;
•
dass ein bedeutender Teil von ihnen, insbesondere aus Osteuropa,
besonders menschenunwürdig behandelt wurde, was Unterernährung,
Arbeitsunfähigkeit und Tod mit sich brachte;
• dass ausländische
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter völkerrechtswidrig in der
Rüstungsindustrie - also indirekt gegen ihr eigenes Land - eingesetzt
wurden;
• dass das Funktionieren der deutschen Wirtschaft und die
Gewinne zahlreicher Unternehmen während des Krieges auch auf die Arbeit
der zwangsweise deportierten Ausländer zurückzuführen sind;
• dass diesen Menschen ihre Löhne teilweise oder völlig vorenthalten wurden und
• dass nur noch eine Minderheit von ihnen am Leben ist
appellieren
wir an alle, die an den Entscheidungen über die Entschädigung der
ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beteiligt sind,
möglichst rasch zu einer gerechten und praktikablen Lösung dieser
zweifelsohne schwierigen Aufgabe zu finden.
Die Anerkennung der historischen Dimension der an den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern begangenen Verbrechen sollte in den Verhandlungen und ihrem Ergebnis deutlich werden.
Wir begrüßen die Entscheidung der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Entschädigungen unabhängig von damaliger Herkunft und heutigem Wohnort bzw. dem dort üblichen Rentenniveau zu leisten.
Wir fordern, dass keine Opfergruppe von den Entschädigungszahlungen ausgeschlossen wird, unabhängig davon, welche Lobby sie hat. Das gilt insbesondere für die Roma und Sinti, die durch keine Regierung vertreten werden.
Wir erwarten, dass die Entschädigungen nicht allein deshalb geschehen, um Unternehmen vor Klagen zu schützen, sondern aus Einsicht in die moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern nationalsozialistischer Willkür und unmenschlicher Ausbeutung. Wir halten es für problematisch, von humanitären Leistungen anstatt von Entschädigungen zu reden. Die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter werden dadurch zu Bittstellern um Almosen herabgewürdigt. Moralischer Konsens, von dem wiederholt die Rede ist, sollte es vielmehr sein, das Recht dieser Menschen auf Entschädigung anzuerkennen.
Wir hoffen, dass bei den Vereinbarungen über den Entschädigungsfonds
berücksichtigt wird, dass alle Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
einschließlich der KZ-Häftlinge entsprechend
• der Schwere der Arbeit,
• den Umständen ihrer Unterbringung/Bewachung etc. sowie
• der Zeitdauer der Zwangsarbeit (ohne Festlegung einer Mindestdauer)
entschädigt werden.
Die Bedürftigkeit darf dabei nicht zum Kriterium dafür gemacht werden, ob eine Person überhaupt Leistungen erhält.
Wir erwarten, dass die Entschädigung als vordringliches Ziel der Fondsbildung betrachtet wird. Dafür bleibt ohnehin nicht mehr viel Zeit, und die sollte genutzt werden. Für zukunftsgestaltende Aufgaben wie Jugendbegegnung gibt es viele andere Fördermöglichkeiten. Und es sollte nicht vergessen werden, dass schließlich auch der Umgang mit den Opfern das Selbstverständnis einer Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft prägt.
Wir begrüßen, dass sich bislang etwa 16 Unternehmen an der Stiftung der deutschen Wirtschaft beteiligen. Die weiteren Unternehmen, in denen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt waren, fordern wir auf, sich dieser Initiative anzuschließen.
An die verhandlungsführenden Personen wenden wir uns mit der Bitte, kompetent und zügig die notwendigen Festlegungen über
• die Auszahlungskriterien und -modalitäten,
• die auszahlenden Institutionen sowie deren Kontrolle,
• die Information der Öffentlichkeit und insbesondere der Antragsberechtigten,
• die Fristen für Antragstellung und Auszahlung sowie
•
die Antragsberechtigung und Berechtigungsnachweise bei bestmöglicher
Unterstützung durch Firmenarchive und den Internationalen Suchdienst
Arolsen
zu treffen.
An die Bundestagsfraktionen und die Bundesregierung wenden wir uns
mit der Bitte, ihre Vorstellungen zu der in Aussicht gestellten
Bundesstiftung der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Diese Stiftung
sollte gewährleisten, dass auch die außerhalb der Industrie eingesetzten
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eine Entschädigung erhalten.
Kommunen, in denen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
(beispielsweise als Bombensuchtrupps) beschäftigt waren, fordern wir
auf, sich an der Bundesstiftung zu beteiligen. Wir schlagen vor, durch
entsprechende Öffentlichkeitsarbeit seitens des Bundes die deutsche
Gesellschaft zu Einzahlungen in den Fonds zu mobilisieren. Damit könnte
vielen Leuten vor allem der älteren Generation, die ein wachsendes
Bedürfnis nach Versöhnung mit den in ihrer damaligen unmittelbaren
Umgebung eingesetzten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern haben,
entgegen gekommen werden.
Die allgemeine politische Wertschätzung eines derartigen Engagements könnte in einer steuerlichen Erleichterung Ausdruck finden.
60 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch die deutsche Wehrmacht ist es für Entschädigungen an die meisten der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bereits zu spät. Wir sollten die Möglichkeit, die uns die wenigen noch Lebenden bieten, nicht ungenutzt verstreichen lassen und Verantwortung für das ihnen in deutschem Namen zugefügte Unrecht und Leid übernehmen.
Berliner Geschichtswerkstatt e.V.
Bürgerkomitee "15. Januar" e.V.
Deutsche Kommission Justitia et Pax
Deutsch-Russischer Austausch e.V.
Förderverein für Internationale Jugendbegegnung in Dachau e.V.
Förderverein für MEMORIAL / St. Petersburg e.V. (Initiator)
Institut für vergleichende Geschichtswissenschaften e.V.
Internationales Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH
Kontakte e.V.
Kreisau-Initiative Berlin e.V.
Maximilian-Kolbe-Werk e.V.
Pax Christi
Robert-Havemann-Gesellschaft e.V