Umsicht statt Vergeltung

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Weihbischof Prof. Dr. Reinhard Marx, zu den jüngsten Attentaten in den USA

Gegen Kriegsrhetorik und vorschnelle Vereinfachungen

In einer Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um die Terroranschläge in den USA warnt der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Weihbischof Prof. Dr. Reinhard Marx in deutlichen Worten vor einem Abdriften der Sprache in Politik und Medien. Für die Kirche seien Reaktionen in "Cowboy-Mentalität" nicht hinnehmbar. Von "Krieg" und "Kreuzzug" zu reden, verhindere eine angemessene Bewertung der Ereignisse und geplanten Reaktionen. Außerdem müsse man sich in neuer Weise der Notwendigkeit einer Weltordnungpolitik stellen, die nicht allein vom Westen dominiert ist, sondern auch die Perspektiven der anderen Erdteile und Völker einbezieht.

Der Text im Wortlaut:

Die Deutsche Kommission Justitia et Pax teilt die weltweite Bestürzung über die furchtbaren Terrorangriffe auf New York und Washington, D.C. vom 11. September. Mitgefühl mit den Opfern und den Hinterbliebenen der Toten stehen an erster Stelle, wenn nach einer Antwort darauf gesucht wird, welche Reaktionen angesichts dieser Tragödie angemessen sind. Wir teilen die Empörung vieler Menschen. Ihr Ruf nach Vergeltung, der in diesen Tagen immer wieder laut wird, ist in einer solchen Situation verständlich.

Dennoch läßt sich aus diesen spontanen Empfindungen noch nicht herleiten, was ein verantwortlicher Umgang mit der gegenwärtigen Krise verlangt. Ein Handeln aus dem Bedürfnis nach Rache ist weder moralisch akzeptabel noch Ausdruck politischer Klugheit. Es widerspricht sowohl den im Rahmen der UNO festgelegten völkerrechtlichen Normen als auch den Prinzipien christlicher Moral und läuft Gefahr, den eingetretenen Schaden nur zu vergrößern.

Stattdessen kommt es darauf an, den Gang der kommenden Ereignisse unter Kontrolle zu halten: Es muss verhindert werden, dass die den Terrorangriffen folgenden Auseinandersetzungen in einen großen Krieg münden, den niemand wollen kann. Die Art und Weise, wie über die krisenhaften Entwicklungen öffentlich geredet wird, wirkt aber an vielen Stellen selber eskalierend: Die mittlerweile in Politik und Medien gängige Rede von "Krieg", "Feldzug", ja gar "Kreuzzug", die es zu führen gelte, bildet eine unverantwortliche und verfälschende Verzerrung. Darin spiegelt sich eine Mentalität wieder, die in keiner Weise den Geboten angemessener politischer Analyse und Führung entspricht.

Die ansatzhaft zu beobachtenden Reaktionen in "Cowboy-Mentalität" sind für das Wachsen eines nachhaltigen Friedens nicht zuträglich. Sofern man sich zum Gewalteinsatz entschliesst, ist man verpflichtet, alles zu tun, damit dieser auf die strikten Erfordernisse der Verteidigung beschränkt bleibt und seine schädigenden Auswirkungen minimiert werden. Vor allem gilt es zu verhindern, dass Menschen Schaden erleiden oder gar getötet werden, die mit den Terroristen und ihren Unterstützern nichts zu tun haben.

Vorrangig für ein entschlossenes Konzept gegen den internationalen Terror bleiben politische Schritte. Zu ihnen gehört eine Bekämpfung der organisierten Kriminalität, besonders dort, wo sie mit Terrorismus in Verbindung steht. Von nicht geringerer Bedeutung ist das langfristige Bemühen um eine durchgreifende Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen der Menschen in den ärmeren muslimisch geprägten Ländern. Armut und Elend führen leicht zu Entwurzelung und Perspektivlosigkeit und verstärken oftmals die Anziehungskräfte des Terrorismus gerade auf junge Menschen.

Auf lange Sicht aber wird es darauf ankommen, zu einer neuen Weltordnungspolitik zu finden, die nicht allein vom Westen dominiert ist, sondern in welcher die legitimen Interessen aller Erdteile und Regionen berücksichtigt werden. Die in diesen Tagen immer wieder zu vernehmende Rede von der "zivilisierten Welt" erscheint mindestens missverständlich, weil sich "der Westen" damit jeder eigenen Kritik zu entziehen scheint. Nachhaltiger Friede wird nur möglich sein, wenn die Traditionen und Blickwinkel aller Völker, Kulturen und Nationen dazu beitragen können. In diesem Rahmen ist insbesondere an den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern zu denken, der zügig revitalisiert und vorangebracht werden muß. Zu den Bedingungen für gelungenen Frieden haben die Deutschen Bischöfe in ihrem Wort "Gerechter Friede" vom letzten Jahr ausführlich Stellung bezogen.

Vielleicht am wichtigsten ist in dieser Stunde eine klare Botschaft des Westens an die Muslime: Wir wissen, dass für deren überwiegende Mehrheit terroristische Gewalt keine legitime Option darstellt. Wir sehen mit Respekt, dass die Gewalttätigkeiten auch unter den Muslimen vielfache Verurteilung finden. Wir appellieren an die friedliebenden Kräfte im Islam zu einem Engagement aus ihrem Glauben, das sich nicht entmutigen lässt.

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