GKKE-Erklärung anlässlich der Bundestagsdebatte zum Rüstungsexportbericht 2001 der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat den Rüstungsexportbericht 2001 am 18. Dezember 2002 vorgelegt und, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, im Internet veröffentlicht. Dieser Bericht wird morgen am 10. April im Deutschen Bundestag debattiert. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), die seit 1997 zur deutschen Rüstungsexportpolitik unter der Perspektive von Frieden und Entwicklung jährlich einen eigenen Bericht abgibt, erklärt anlässlich dieser Bundestagsdebatte:
Die GKKE begrüßt, dass die Bundesregierung seit nunmehr drei Jahren regelmäßig den Bundestag und damit die deutsche Öffentlichkeit über den Stand ihrer Rüstungsexportpolitik informiert. Dies erhöht die Transparenz, und Entscheidungen lassen sich nachvollziehen. Die GKKE sieht das deutsche Berichtswesen im Einklang mit entsprechenden Initiativen anderer EU-Staaten. Sie anerkennt das Bemühen, dem EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte von 1998 Nachdruck zu verleihen.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rüstungsexportberichte und die Debatte im Bundestag rücken von Jahr zu Jahr weiter vom Berichtszeitraum weg (September 2000, November 2001, Dezember 2002 für das jeweilige Vorjahr) und scheinen von Gesichtspunkten der politischen Opportunität bestimmt zu werden. Darunter leidet der proklamierte Anspruch auf Verlässlichkeit und Transparenz. Wünschenswert wäre, dass der Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit möglichst zeitnah, spätestens aber zum gleichen Zeitpunkt informiert werden, zu dem die deutschen Angaben an die EU im Rahmen des Verhaltenskodex gegeben werden.
Die GKKE begrüßt, dass das Berichtswesen inzwischen zu einem stabilen Format gefunden hat. Sie stellt fest, dass außerdem eine Reihe von früher geäußerten Verbesserungsvorschlägen aufgenommen worden ist (Jahresvergleiche, Transfers aus Beständen der Bundeswehr, Rüstungskooperation zwischen europäischen Staaten). Allerdings fehlen auch im Rüstungsexportbericht 2001 Informationen darüber, ob die in den Politischen Grundsätzen zugesagten Endverbleibsregelungen ermittelt und an Staaten Waffen und Rüstungsgüter geliefert wurden, die gleichzeitig in den Genuss von Hermes-Bürgschaften gekommen waren.
Die GKKE teilt nicht die im Bericht vermittelte Botschaft, dass der Rüstungsexport an Bedeutung verlöre. Zumindest gilt das nicht für den politischen Stellenwert der Exporte, wie zurückliegende Auseinandersetzungen um deutsche Lieferungen in die Türkei, Südafrika oder nach Israel zeigen.
Im Blick auf die von der Bundesregierung vorgelegten Daten über die deutschen Rüstungstransfers und die Genehmigungen sowie die mitgelieferten Bewertungen sieht die GKKE folgende kritische Punkte:
Die allgemeinen Trendaussagen über die Entwicklung deutscher Rüstungsexporte gewinnen an Plausibilität, wenn eingestanden wird, dass deren Werte angesichts des hohen Anteils von Schiffslieferungen immer großen Schwankungen unterliegen. So wird in der Zusammenfassung des Berichtes behauptet, der Wert erteilter Einzelgenehmigungen sei im Jahr 2001 zumindest für die wichtigsten Abnehmer gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben. Tatsächlich aber ist dieser Wert im Jahr 2001 um 1,5 Mrd. insgesamt gestiegen, bedingt durch die zugesagten U-Boot-Lieferungen an Süd-Korea.
Der Bericht informiert nicht über den Ausgang von Konsultationen, die die Bundesregierung mit anderen EU-Staaten geführt hat, wenn sie ein Ausfuhrbegehren abgelehnt hat, das auch andere EU-Staaten erreicht hat. (im Jahr 2002 der Fall Nepal)
Der Bericht lässt nicht erkennen, ob die Bundesregierung Anstrengungen unternimmt, die unterschiedlichen Verfahren des Statistischen Bundesamtes und des Bundesausfuhramtes einander anzugleichen, die statistisch den Wert und den Umfang deutscher Lieferungen ermitteln. Ebenso fehlt es an Aussagen darüber, das Verwaltungsverfahrensgesetz in dem Sinne zu ändern, dass Lieferanten und Empfänger deutlich benannt werden können, wie dies in anderen europäischen Ländern möglich ist.
Bei der Bewertung von Rüstungsausfuhren außerhalb der NATO und in ihr gleichgestellte Staaten führt der Rüstungsexportbericht 2001 die unübliche Kategorie "klassische Entwicklungsländer" ein. Damit bleiben tatsächliche und potentielle Abnehmer deutscher Waffen und Rüstungsgüter wie Ägypten, Indien, Kolumbien, Malaysia, Südafrika oder Thailand unberücksichtigt, die die OECD auf ihrer entsprechenden Liste 1 erfasst. Mit der unscharfen Kategorie der "klassischen Entwicklungsländer" wird das Gewicht der deutschen Rüstungsausfuhren in Entwicklungsländer eher verschleiert, denn deutlich gemacht.
Die Angaben über die erteilten Genehmigungen für Rüstungstransfers decken dagegen auf, dass deutsche Waffen und Rüstungsgüter durchaus weltweit Interesse und Abnehmer auch unter Entwicklungsländern finden, wenn auch wertmäßig bescheidener und in geringerem Umfang als Lieferungen an andere Industriestaaten. Vor allem der große Anteil an Lieferungen von Handfeuerwaffen, -zubehör und Munition, die teilweise auch in die ärmsten der armen Länder gehen, gibt Anlass zur Sorge.
In einer Zeit, in der militärische Gewalt den Primat der Politik in Frage stellt, staatenübergreifende Regelwerke zur Kontrolle von Waffen und Rüstung außer Kraft gesetzt sind und internationale Organisationen diskreditiert werden, bleibt die Selbstbindung von Staaten an Standards der Friedenssicherung, der Rüstungskontrolle und einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes, erhaltenswertes Gut.
Die GKKE tritt dafür ein, dass Deutschland mit einer restriktiven
Rüstungsexportpolitik weiterhin eine entsprechend positive Alternative
bietet. Diese findet nicht zuletzt in einem grundsätzlich guten, aber
ausbaufähigen Berichtswesen über ein für Demokratien sensibles
Politikfeld wie den Rüstungsexport seinen Niederschlag.
Ansprechpartner:
Dr. Jürgen Hambrink, Ev. Geschäftsstelle der GKKE Charlottenstr. 53/54,
10117 Berlin, Tel: 030 - 203 55 307
Gertrud Casel, Kath. Geschäftsstelle der GKKE Kaiser-Friedrich-Str. 9, 53113 Bonn, Tel: 0228 - 103 303