Justitia et Pax zu aktuellen Herausforderungen der Religionsfreiheit anlässlich des 40. Jahrestages der Konzilserklärung "Dignitatis Humanae"
Mit der Erklärung des II. Vatikanischen Konzils zur Religionsfreiheit am 7. Dezember 1965 („Dignitatis hu ma nae“) hat die Kirche einen grundlegenden Wandel in ihrem Verhältnis zur Freiheit des Menschen, die sich in besonderer Weise in der Freiheit zur Wahl des religiösen Bekenntnisses ausdrückt, vollzogen. Die Deutsche Kommission Justitia et Pax erinnert mit einem Memorandum „Von der Toleranz zur Religionsfreiheit“ an diese historische Wende und ma cht auf aktuelle Herausforderungen aufmerksam. Es wird darauf hingewiesen, dass das Recht auf Religionsfreiheit heute vielfach in Frage gestellt ist oder Einschränkungen unterliegt. Die Kirche muss sich deshalb verstärkt in die Pflicht nehmen, selbst zur Anwältin für die Religionsfreiheit zu werden. Das Memorandum soll Grundlage sein für einen the ma tischen Dialog mit Verantwortlichen aus Religionsgemeinschaften und Politik.
Das Konzilsdokument „Dignitatis hu ma nae“ sei auch Zeugnis eines gewandelten Selbstverständnisses der katholischen Kirche, so der Text: Mit der positiven Würdigung der Religionsfreiheit dringe die Kirche tiefer zum Kern ihres eigenen Glaubens vor. Die Verteidigung ihres Wahrheitsanspruches wird daran geknüpft, dass Menschen die Wahrheit in freier eigener Entscheidung und Verantwortung vor ihrem Gewissen annehmen können. Das Plädoyer für Religionsfreiheit darf nicht mit weltanschaulicher Beliebigkeit verwechselt werden: Vielmehr wird respektiert, dass Wahrheit und Freiheit einander bedürfen. Die Wahrheit kann erst dann zum Ausdruck gebracht werden, wenn sie in Freiheit angenommen ist.
Ein solches Verständnis von der Religionsfreiheit ist heute vielfachen Einschränkungen und Verkürzungen ausgesetzt – sei es in theokratischen Staaten wie Iran, die sich der zwangsweisen Durchsetzung islamischer Normen verschreiben, oder der Türkei, die unter dem Deck ma ntel eines strengen Laizismus einen staatlich kontrollierten sunnitischen Islam als Medium national-kultureller Integration propagiert. Aber auch im Zuge der Sicherheitspolitik nach dem 11.9.2001 werden vielfach Standards der Religionsfreiheit verletzt, so beispielsweise beim Umgang mit religiösen Minderheiten. In Deutschland und vielen westeuropäischen Staaten begegnet ma n hingegen dem Missverständnis, dass Religion zur reinen „Privatsache“ verkürzt wird. Religionsfreiheit umfasst immer auch das öffentliche Bekenntnis und Wirken der Religionsgemeinschaften.
An die Kirche selbst gerichtet unterstreicht das Papier zwei Aufgaben: Aufgrund ihres eigenen Lernweges im Umgang mit religiöser Freiheit kann und soll die Kirche ihrerseits zur Anwältin für die Religionsfreiheit werden – gerade im Dialog mit Religionen wie dem Islam, der vor einem ähnlichen Lernprozess steht. Aber die fortschreitende Verwirklichung von Religionsfreiheit sollte für die Verkündigung der Kirche auch als Chance begriffen werden – befreit von historisch gewachsenen, allzu engen Verflechtungen mit dem Staat in den „fairen Wettbewerb“ mit anderen Religionen einzutreten und nur mittels der Glaubwürdigkeit ihrer Zeugen für die eigene Botschaft zu werben.