Justitia et Pax zum bevorstehenden G 20-Gipfel
Vor dem G 20-Gipfel in London erklärte Weihbischof Dr. Stephan Ackermann, der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, dass bei den Bemühungen um die Bekämpfung der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise und den Reformen der globalen Finanzordnung die Interessen der weltweit Ärmsten nicht weiter vernachlässigt werden dürfen. Zu lange schon habe die Finanzwirtschaft gegen einen der zentralen Maßstäbe der katholischen Soziallehre verstoßen, dass das Kapital dem globalen Gemeinwohl dienen müsse. Daher dürfen sich die Industrieländer nun nicht mit kurzfristigen Konjunkturprogrammen zur Ankurbelung ihrer eigenen Wirtschaft und kosmetischen Veränderungen der internationalen Finanzordnung begnügen. Sie stehen vielmehr in der Pflicht, in London eine Neuordnung des globalen Finanzsystems einzuleiten, die eine Wiederholung solcher Krisen in Zukunft verhindert und gleichzeitig Antworten auf die erheblichen globalen Ungleichgewichte zu geben vermag. Schließlich sind vor allem die Menschen in den armen Entwicklungsländern existentiell von der aktuellen Krise betroffen, zu der sie am wenigsten beigetragen haben. So drohen die weltweite Rezession und der drastische Rückgang von Direktinvestitionen wie von Rücküberweisungen von Arbeitsemigranten in vielen afrikanischen Ländern das zarte Pflänzchen des wirtschaftlichen Aufschwungs im Keim zu ersticken. Da viele dieser Länder von Nahrungsmittelimporten abhängig sind, ist abzusehen, dass sich im Zuge der weltweiten Rezession auch die Nahrungsmittelkrise wieder verschärft und die extreme Armut und den Hunger verfestigt.
Daher dürfen die Konjunkturprogramme in den Industrieländern nicht auf Kosten der weltweit ohnehin dürftigen Entwicklungshilfe gehen, mahnte Weihbischof Ackermann. Vielmehr sei es notwendig, die Rettungspakete viel stärker für ohnehin notwendige entwicklungs- und umweltverträgliche Strukturreformen bei uns einzusetzen, so dass man damit die Voraussetzungen schaffe, um mittelfristig globalen Herausforderungen wie etwa der Klimakrise begegnen zu können. Eine Renaissance protektionistischer Maßnahmen sei ebenso abzulehnen wie die Förderung heimischer Produzenten etwa durch die Wiedereinführung der EU-Exportsubventionen für Milchprodukte, was den weltweiten Wettbewerb zu Lasten kleinbäuerlicher Betriebe in den Entwicklungsländern verzerrt.
Außerdem müsse sich die internationale Staatengemeinschaft auf einen Ordnungsrahmen für die globalen Kapital- und Finanzmärkte verständigen, welcher für Transparenz sorgt und dem grundlegenden Prinzip der Haftung wieder zur Geltung verhilft. Vor allem brauche es eine international abgestimmte Verbesserung der Finanzmarktregulierung und -aufsicht, die auch die Rating Agenturen einbeziehen muss. „Ich erwarte vom Gipfel in London klare Signale zu einer Re-Regulierung der Finanz- und Kapitalmärkte, besonders um die erheblichen Risiken kurzfristiger Finanzströme begrenzen zu können“, sagte der Vorsitzende von Justitia et Pax, „Diesbezüglich darf es kein „ Business as usual“ geben. Wir brauchen Ursachenbekämpfung und nicht Nachsorge. Angesichts der Erfahrung der vergangenen Jahre, in denen mit immer neuen und kaum mehr durchschaubaren Finanzprodukten die wenigen internationalen Regulierungsvorschriften noch unterlaufen wurden, spricht vieles dafür, den Vorschlag einer Positiv-Liste, nach der nur noch bestimmte Finanzprodukte zugelassen werden, ernsthaft zu prüfen. Auch die Debatte um eine Regulierung des kurzfristigen Kapitalverkehrs in Form der so genannten Tobin-Tax darf nicht tabuisiert werden.“
Ackermann spricht sich zudem für eine konsequente Bekämpfung der Steueroasen aus, was von den kirchlichen Partnern in Afrika immer wieder als Priorität gesehen wird. Steuerverluste in dreistelliger Milliardenhöhe entstehen den Entwicklungsländern durch „offshore“ geparkte Vermögenswerte. Selbst in konservativer Schätzung sind die dadurch entgangenen Steuereinnahmen höher als die gesamte Entwicklungshilfe einschließlich Schuldenerlasse. Dies markiere einen eklatanten Mangel an Global Governance. Außerdem erfordere die durch die Finanzkrise erneut auflodernde Gefahr der Überschuldung von armen Ländern die Einrichtung eines Insolvenzverfahrens und die Überprüfung des Kreditvergabewesens, die Justitia et Pax immer wieder gefordert habe.
Dass nun beim G 20-Gipfel in London - wie bereits in Washington - die Schwellenländer beteiligt werden, sei ein Fortschritt gegenüber der G 8-Runde, so Weihbischof Ackermann. Aber eine wirklich nachhaltige Weltwirtschaft könne es auf Dauer nicht ohne die Einbindung der armen Länder geben, die jedoch sowohl beim IWF als auch bei der Weltbank aufgrund geringer Einzahlungen kaum Stimme und Gewicht haben. Erforderlich sei eine Einbindung der internationalen Finanzinstitutionen in das UN-System. „Wir brauchen einen Weltwirtschaftsrat, in dem die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Stärke mitwirken können. Ohne eine gerechte Beteiligungen der Betroffenen, insbesondere der Armen, wird es auf Dauer keine gerechte Lösungen geben,“ so das Fazit von Weihbischof Ackermann.
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