Bonn, 18.06.2015 „Mehr als ein dringendes Plädoyer für
Entwicklungsgerechtigkeit, mehr als eine `Klimaenzyklika´: eher ein Kompendium
der globalen Solidarität legt Papst Franziskus mit `Laudato Si‘´ vor. In einem
leidenschaftlichen Appell wendet sich der Papst an alle, die diese Erde
bewohnen, die ökologische Krise zu wenden“, so Bischof Dr. Stephan Ackermann,
Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax in einer ersten Reaktion
auf die neue Enzyklika. Papst Franziskus beschreibe in aller Deutlichkeit, „was
unserem Haus widerfährt“ in einer Analyse mit Tiefenschärfe, die ökologische,
spirituelle, humane, politische und wirtschaftliche Dimensionen einbeziehe. Er
beleuchte auch die Gründe, warum wir trotz mancher internationaler
Anstrengungen nicht weiterkommen: zu viele Sonderinteressen, das wirtschaftliche
Interesse gewinne die Oberhand über das Gemeinwohl (54). „Vor allem weist Papst
Franziskus Ziele auf, für die der Einsatz sich lohnt, nämlich dass alle
Menschen – auch und gerade die Armen - und auch zukünftige Generationen in
Harmonie mit der von Gott geschenkten Schöpfung in Würde arbeiten und in
Gerechtigkeit und Frieden leben können. Er spricht alle an: politische, wirtschaftliche
und zivilgesellschaftliche Akteure in ihren Potentialen sowie in ihren tiefen
menschlichen Sehnsüchten“, so Bischof Ackermann.
Im entwicklungspolitischen
Schlüsseljahr 2015 komme diese Enzyklika zur rechten Zeit vor der
Generalversammlung der Vereinten Nationen im September, um eine Orientierung
für die Verabschiedung einer neuen Agenda nachhaltiger Entwicklungsziele (Sustainibility
Development Goals, SDG) zu geben und Perspektiven für die weltweite Umsetzung
zu eröffnen. Franziskus legt seinen Ausführungen mit dem Bezug auf die Würde
jedes Menschen eine menschenrechtliche Perspektive zu Grunde. Z. B. betont er
das Recht auf Wasser. Er unterstreicht aber auch den Wert der Biodiversität,
der vor allem durch nachhaltige Nahrungsmittelerzeugung erhalten bleibt.
Wirtschaftliche Interessen und politisches Machtdenken dürften keinesfalls
diesen Rechten entgegenstehen bzw. Armen und Minderheiten den Zugang zu ihnen
verwehren. Ebenso sieht er menschenwürdige Arbeit als eine notwendige
Investition in den Erhalt friedlicher und generationengerechter Gesellschaften
an. Er widerspricht der Ideologie des wirtschaftlichen Wachstums, und setzt
stattdessen eine neue Bestimmung von Fortschritt, den er als eine wirtschaftliche
und technologische Entwicklung beschreibt, die eine bessere Welt und eine im
Ganzen höhere Lebensqualität für alle hinterlässt. Alternative Lebensstile,
Genügsamkeit und verantwortliches Konsumieren stellt er in den Vordergrund.
Damit schließt er an die Sozialverkündigung seiner Amtsvorgänger an und greift
Erklärungen aus den Ortskirchen weltweit auf, z.B. Neuseeland, Südafrika,
Paraguay, USA und auch Deutschland.
Besonders deutlich
wird sein Bezug auf die SDG-Agenda auch durch die Ausführungen zu verantwortlicher,
partizipativer Städteplanung und Gestaltung ländlicher und städtischer Räume
(151). Konkrete Bedeutung hat dies für Menschen, die informell arbeiten und mit
ihren wirtschaftlichen Aktivitäten auf öffentlich zugängliche Räume, wie etwa
den Marktplatz angewiesen sind. „Wir fühlen uns in unserer Arbeit bei Justitia
et Pax zur Post-2015-Agenda und etwa zur Menschenwürdigen Arbeit durch diese
Enzyklika ermutigt und bestärkt“, so Bischof Ackermann.
Papst
Franziskus gebe nicht nur eine ethische Begründung für unsere Verantwortung für
das gemeinsame Haus, die Erde, sondern
auch eine spirituelle Grundlage für Menschen unterschiedlicher Religionen und
Weltanschauungen. Weil die Erde den Menschen geschenkt sei, mahne er, Mitgeschöpfe
in ihrem Eigenwert und ihrer Eigengesetzlichkeit zu achten und zu respektieren.
Einer falsch verstandenen Autonomie, einem grenzenlosen Gewinnstreben und
Utilitarismus erteile der Papst eine deutliche Absage. Güter zu teilen,
genügsam zu leben, nachhaltig zu wirtschaften und zu planen, erwachse aus
dieser erneuerten Perspektive auf die Schöpfung, brauche aber auch „Ökologische
Erziehung“. Dringend sei es, Politik gemeinwohlorientiert zu gestalten und
diese mit starken Instrumenten, Kontrollen, Überprüfungsmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten
auszustatten. Angesichts der bisherigen „Schwäche der Reaktionen“ auf die
ökologische Krise sei entschiedenes politisches Gegensteuern notwendig, das
aber im Dialog und in partizipativen Entscheidungsprozessen vollzogen werden
müsse, die Transparenz voraussetzen. Justitia et Pax habe in Kooperation mit
Partnern weltweit Partizipation auf allen Ebenen als entscheidendes Prinzip für
gelingende Entwicklung identifiziert.
So sei diese
Enzyklika in vielen Passagen ein Beleg für den in der deutschen Entwicklungspolitik
viel diskutierten Beitrag, den Religionen zu einer nachhaltigen Entwicklung weltweit
leisten könnten, nämlich „eine Spiritualität der globalen Solidarität“ zu fördern.
„Ich freue
mich, dass wir im Ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit die Anliegen
dieser Enzyklika im Vorfeld der Klimakonferenz in Paris aufgreifen und in
Deutschland und Frankreich in die Öffentlichkeit tragen werden. Die notwendigen
Anstrengungen, anders zu arbeiten, verantwortlich zu konsumieren und zu
produzieren, werden auf dem Weg und an seinen Stationen konkret werden. Im
Gebet, aber auch im Dialog mit Politik und Wirtschaft soll der Weckruf öffentlich
werden, dass eine umfassende Umkehr dringend geboten ist. Wir sind bereit, an
den notwendigen Veränderungen zu arbeiten. Die Erwartungen an die Politik sind
hoch aus `Sorge für das gemeinsame Haus´“ dieser Erde, so Bischof Ackermann.